In der Ostseezeitung vom 12.01.2020 erschien ein Artikel des Kinderarztes Dr. Armbrust unter der Überschrift “Vegane Ernährung bei Kindern ist Körperverletzung.” Diese plakative Äußerung hat uns schockiert und gleichzeitig bewegt, eine Reaktion zu verfassen. Denn zu viele wesentliche, inhaltliche Aspekte in diesem Artikel sind unwahr. Lunch Vegaz Gründer Govinda Thaler beschäftigt sich schon lange intensiv mit einer gesunden Ernährung. Es war ihm ein persönliches Anliegen, auf den Artikel von Dr. Armbrust zu reagieren. Deshalb hat er in einem Brief an die Ostseezeitung um Richtigstellung gebeten. Bisher warten wir noch auf eine Antwort. Hier ist der Brief in voller Länge zu lesen. Er räumt mit etlichen Vorurteilen auf und enttarnt drastische Äußerungen Dr. Armbrusts als haltlos.
ich habe mit Schrecken den Artikel von Dr. Armbrust gelesen und möchte Sie mit diesem Brief darauf hinweisen, dass wesentliche inhaltliche Aspekte in seinen Aussagen unwahr sind.
Ich möchte Sie bitten diese Punkte klar zu stellen, denn Sie bilden als Medium Meinungen und haben eine Verantwortung Ihren Lesern gegenüber. Das Sie solch einen unwissenschaftlichen und populistischen Text ungeprüft abdrucken, ist meiner Meinung nach fahrlässig! Was hier gesagt wird, ist in manchen Punkten schlichtweg falsch.
Wir leben in einer sehr komplexen Welt. Und diese einfachen und aus dem Kontext genommenen Behauptungen nützen niemandem, weil sie das wichtige Thema Ernährung nicht angemessen behandeln.
Mir ist dieses wesentliche Thema Ernährung sehr wichtig, es geht mir um den Inhalt, die vielen wichtigen gesundheitlichen Aspekte genauso wie den Einfluss auf unsere Umwelt. Ich finde, dass viel zu viel oberflächliche Dinge geschrieben werden, die der Wichtigkeit und damit verbundenen Verantwortung dieser Themen nicht gerecht werden. Das ist aber mein Anspruch.
Im Folgenden zeige ich Ihnen diese Punkte auf:
Diese beiden Aussagen sind falsch. Ich zitiere die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und den Ernährungsreport des Bundes, die mehr Kompetenz in diesem Bereich haben als Dr. Armbrust.
Der durchschnittliche Verbrauch der Deutschen liegt mit 1,2 kg Fleisch pro Woche, bei der doppelten Maximalmenge die von der DGE angegeben wird und beim 4-fachen der empfohlenen Verzehrmenge für ein gesundes Herz-Kreislaufsystem.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sollten wir mindestens 400g Gemüse und 250g Obst pro Tag essen.
Die nationale Ernährungsstudie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zeigt, dass 84% der Deutschen den täglichen Gemüsebedarf nicht decken. Durchschnittlich essen Frauen 243g und Männer 222g Gemüse täglich und liegen damit unter 60% der empfohlenen Mindestmenge.
Damit ist auch die Aussage Dr. Armbrusts „Ein vegetarischer Tag pro Woche, das wäre ein vernünftiges Maß.“ schlichtweg falsch!
Auszug aus der Ostseezeitung vom 12. Januar 2020
Der Eiweissgehalt von Soja beträgt: 36%
Der Eiweissgehalt von Schweinefleisch: 19%
Der Eiweissgehalt von Rindfleisch: 26%
Der Eiweissgehalt von Hühnerfleisch: 27%
Es ist also schlichtweg falsch, was Dr. Armbrust sagt. Woher bezieht dieser Mann sein Wissen?
Damit ist auch sein nächster Satz falsch und wiederlegt: „Man bräuchte also im Vergleich zu einem Gramm Fleisch die fünffache Menge Soja-Bohne, um den Bedarf zu decken.“
Auch dieser Satz ist falsch, da er diesen wichtigen Klimagesichtspunkt aus dem Kontext nimmt und damit ihre Leser täuschend auf den Verzehr von Sojaprodukten durch die Menschen bezieht, denn richtig wäre die Darstellung dass:
Und was macht die Tierhaltung mit unserer Umwelt? Was sagt der BUND dazu?
Laut Bundesumweltministerium verursacht die Ernährung der Deutschen pro Person 1,75 Tonnen klimarelevante Emission, pro Jahr. Und 70% der direkten Treibhausgasemissionen sind auf tierische Produkte zurückzuführen. (Quelle 1)
Thema Bildung: Nur 36,4 Prozent der Deutschen ist laut BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und Heinrich-Böll-Stiftung der deutliche Zusammenhang zwischen dem Konsum tierischer Erzeugnisse und dem Klimaschutz bewusst. (Quelle 2)
Genauso erwarte ich von einem Kinderarzt, dass er sich informiert und zur Bildung beiträgt, denn er genießt das Vertrauen seiner Patienten.
Der Bund schreibt im Fleischatlas 2018, dass nur 17% des Kalorienbedarfs der Menschheit durch tierische Produkte gedeckt wird, aber 77% des globalen Agrarlands benötigt wird. Davon sind 2/3 Weidefläche, 1/3 wird für den Futtermittelanbau benötigt. Und daraus ergibt sich ein Problem: Wenn der Fleischkonsum steigt, braucht es entweder mehr Ackerfläche oder diese wird, wie leider bereits vieler Orts üblich, durch Düngemittel und Pestizide ertragreicher gemacht.
Fleischkonsum laugt Böden aus, macht durch den Einsatz von Pestiziden die örtliche Bevölkerung krank und sorgt für Wasserknappheit. Eine Erweiterung der Flächen hätte gravierende Folgen, so der BUND: "Wenn Wälder und Grasland, eigentlich Hotspots der Biodiversität, zu Monokulturen werden, weicht der im Boden gespeicherte Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre und die Biodiversität nimmt ab durch den massiven Einsatz von Dünger und Pestiziden." (siehe Quelle 2)
Tiere emittieren Methangas, welches 25x schädlicher als CO2 ist. (Quelle 3)
Michael Beilharz vom Bundesumweltamt dazu: “Würden die Deutschen durchschnittlich nur die empfohlene Menge Fleisch essen, könnten wir die Treibhausgasemissionen um rund 12 Prozent senken – und 16 Prozent des Flächenbedarfs einsparen.”
Bis 2030 müsste der Fleischkonsum pro Kopf auf 22 Kilogramm im Jahr, bis 2050 auf 16 Kilogramm sinken, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen.
ProVeg über die Emission der Tierhaltung via Instagram
Laut Klimarechner des Bundes (Quelle 4) würde durch die Reduktion des Fleischkonsums der Deutschen um 25%, 8,3 Mio Tonnen CO2 im Jahr gespart. Im Vergleich dazu: (Inlandflüge in Deutschland waren 2018 für 2 Mio Tonnen CO2 Äquivalent verantwortlich)
Ein Arzt, insbesondere ein Kinderarzt, sollte darauf hinweisen, was eine wirklich ausgewogene Ernährung ist und vor allem, was die Folgen falscher Ernährung sind. Dr. Armbrust sagt:
Ja. Adipositas, also krankhafte Fettleibigkeit, entsteht aber nicht durch eine vegetarische Ernährung, sondern durch eine unausgewogene Ernährung, die auch mit, wie er sagt: „zu viel Zucker“ zu tun hat. Jedoch zu einem erheblichen Prozentsatz aus einem zu hohen Fleischkonsum erwächst, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO.
Muss ein Arzt nicht darauf hinweisen was genau eine ausgewogene Ernährung ist, um den Menschen in Mecklenburg Vorpommern zu helfen und muss er seine Ansichten nicht auch belegen können? Wem nützt eigentlich die private Verunglimpfung einer Ernährungsform, mit der sich der Autor ganz offensichtlich nicht ausreichend beschäftigt hat?
Als Arzt steht er in der Verantwortung umfassende Recherchen seiner Aussagen nachzuweisen, unter anderem die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu kennen und als Wissenschaftler und informierter Mensch diese Empfehlung mindestens zitieren können. Wenn er denen dann eigene Thesen entgegenstellt, so ist der Nachweis seiner Thesen unbedingt erforderlich! Das ist es, was ich von einem Kinderarzt erwarte!
Eine vollwertige pflanzenbetonte Ernährung kann chronisch-degenerativen Erkrankungen optimal vorbeugen.
Die wissenschaftliche Datenlage zeigt sehr deutlich, dass ein erhöhter Verzehr an pflanzlichen Lebensmitteln gesundheitsförderlich ist. Die allermeisten Personen in Deutschland erreichen nicht die von der DGE empfohlene Menge an Gemüse, Obst und anderen pflanzlichen Lebensmitteln und daher ist jede Speisenauswahl zu begrüßen, die näher zu diesem Ziel führt.